04.09.2024 Imagination

Gerade lese ich drei Bücher parallel. Warum ?

Hanno Rauterberg formuliert in seinem Buch „Und das ist Kunst ?!“ der mündige Betrachter trachtet nach etwas

…. Kant wird herangezogen:

„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war. – auf dieser Einsicht von Aristoteles aufbauend entwickelte der Philosoph John Locke im 18 Jahrhundert einige wichtige Theorien des Erkennens. Gut 100 Jahre später erklärte Immanuel Kant: ‚Wenn man Objekte bloß nach Begriffen beurteilt, so geht alle Vorstellung der Schönheit verloren.‘

Kant war nicht gerade für Gefühlsduselei bekannt und doch davon überzeugt, dass jedes Urteil über Kunst auf einer Empfindung gründet, „die mit dem Gefühle der Lust und Unlust unmittelbar verbunden ist“. Mit einer Lust am reflektierenden Urteilen, am freien intellektuellen Spiel.“ Seite 177 f

und weiter

„Er (Kant) wollte den Betrachter erlauben, sich von den Imperativen der Rationalität zu lösen. Keiner Lehre zu folgen, sondern sich an der eigenen Urteilskraft erfreuen zu können, das war für ihn die ästhetische Erfahrung.“ (Seite 178)

Ausgehend von dieser Formulierung erinnerte ich mich an John Deweys „Kunst als Erfahrung“. Auf S. 11 findet sich:

„Um Ästhetik in ihren ausgeprägtesten und anerkanntesten Formen zu verstehen, muss man bei ihren Grundelementen ansetzen; bei den Ereignissen und Szenen, die das aufmerksame Auge und Ohr des Menschen auf sich lenken, sein Interesse wecken und, während er schaut und hört, sein Gefallen hervorrufen: Anblicke von denen die Menge gebannt ist: die vorüberrasende Feuerwehr; Maschinen, die riesige Löcher ins Erdreich graben; der Mensch, der einen Turm emporklimmt und von weitem wie eine Fliege aussieht; Männer, die auf Eisenträgern hoch in den Lüften rotglühende Bolzen werfen und auffangen.

Dass der Ursprung der Kunst in der menschlichen Erfahrung liegt, wird jedem klar, der beobachtet,wie die Zuschauermenge von den spannungsgeladenen graziösen Bewegungen des Ballspielers mitgerissen wird …“

Dieses auf Banalitäten im Alltag angewendete beobachtete Verhalten von Menschen, denen man im Allgemeinen kein Verständnis für Kunst zubilligen möchte, denen Dewey aber Ansätze zu Interesse an Unerwartetem, an Neuem zuspricht, versteht er als Anfang zu neuen Erfahrungen und damit als Anfang von Kunst.

Das wiederum hat mich zu Asger Jorns „Gedanken eines Künstlers“ gebracht:

„Kant definierte die Schönheit als “ das Allgemeine, interesselose und notwendige Gefallen“. Da aber Gefallen eigentlich nichts anderes ist als eine Art von Interesse, müssen wir diese sich selbst widersprechende Definition verwerfen, und machen geltend, dass die Ästhetik das Interesse für das Unbekannte ist, dessen Wirkung sowohl unangenehm wie auch angenehm sein kann antipathisch wie symphatisch, was Empfindungen von Unlust oder Lust auslöst, die uns Gelegenheit geben, das Erlebnisobjekt als hässlich oder schön zu beurteilen,…“

Asger Jorn schlussfolgert: Die Ästhetik als Interesse für das Unbekannte aufgefasst

(Seite 22, Gedanken eines Künstlers in der Reihe Texte zur Kunst herausgegeben von der Galerie von de Loo,  Band 8,  1997)

Imagination – Tuschestift auf Karton im Format ca. 22 cm x 29,7 cm

Hier können sich mündige Betrachter_innen und Künstler_innen treffen, beide suchen neue Erfahrungen, jenseits des Alltags, jenseits des Alltagstrotts.

siehe meinen Beitrag Homo ludens und kein Schaf sein

Künstler_innen haben den Betrachter_innen voraus, dass sie systematisch nach neuen ästhetischen Erfahrungen forschen. Wolfgang Paalen verwendet sinnvoller Weise dafür den Begriff Imagination.

… doch das zitiere ich jetzt nicht auch noch

04.09.2024 Gu

Verwendete Literatur

Hanno Rauterberg – „Und das ist Kunst ?!“ – eine Qualitätsprüfung – 3. Auflage November 2015

John Dewey: Kunst als Erfahrung Suhrkamp Taschenbuch siebte Auflage 2014

Asger Jorn – Gedanken eines Künstlers in der Reihe „Texte zur Kunst“ herausgegeben von der Galerie von de Loo,  Band 8,  1997)